Nein, so hatte sich Wolfgang Reimer das nicht vorgestellt, was er da am Eröffnungstag der Fußball-Weltmeisterschaft sah: Braslianische Fußballspieler, die sich im Eröffnungsspiel schwerer taten als gedacht, und Proteste in den brasilianischen Metropolen, die nicht so friedlich abliefen wie erhofft.
Mit der Vorstellung der brasilianischen Nationalmannschaft kann er dabei noch gut leben. Als Fußballer weiß er schließlich die Leistung von Kroatien zu würdigen, das dem Gastgeber alles abforderte. "Die Kroaten haben toll gespielt. Schade, dass ein WM-Eröffnungsspiel durch einen Elfmeter, der keiner war, entschieden wird", bedauert Reimer, "letztlich ist es aber gut, dass Brasilien 3:1 gewonnen hat. Für die Stimmung im Land ist das ganz wichtig". Die Bilder von Polizisten und Sicherheitskräften, die mit massiver Gewalt gegen Demonstranten vorgingen, verursachen bei dem Hofheimer aber ein eher mulmiges Gefühl. "Ich kann die Proteste nachvollziehen, die Frage, wo geht das viele Geld, das die WM kostet, hin und wo wäre es besser aufgehoben. Proteste sind ein normaler und guter Vorgang - solange sie friedlich bleiben." Wolfgang Reimer weiß, wo die Brasilianer der Schuh drückt, nicht nur, weil er die Berichterstattung aufmerksam verfolgt. Er ist regelmäßig in Brasilien, wo die Reimers seit ein paar Monaten ein Haus besitzen, in dem der 57-Jährige die Winter verbringen möchte, wenn er erst einmal im Ruhestand ist.
Der Zufall half
Zwar hatte Wolfgang Reimer schon immer von einem Häuschen im Süden geträumt, dass es aber Brasilien wurde, ist einem Zufall zu verdanken. Besser gesagt: Tochter Nathalie. Sie wollte vor einigen Jahren unbedingt ihren Freund Bruno Schick besuchen, einst Tennisspieler in Diensten des TC Diedenbergen. Weil die Eltern ihre Tochter aber nicht allein fahren lassen wollten, begleiteten sie Nathalie kurzerhand - und fühlten sich sofort wohl in dem riesigen Land. Die traumhafte Landschaft und die Offenheit der Menschern haben es Wolfgang Reimer angetan. "Lustig, offen, unbeschwert", sagt er, seien die Brasilianer, "ein tolles Volk".
Hausbau
Tochter Nathalie hat längst einen anderen Freund, aber die Begeisterung ihrer Eltern für Brasilien blieb. Wolfgang Reimer und Gattin Monika fanden ein Grundstück und bauten ein Haus in Praia da Pipa, etwa 80 Kilometer entfernt von Natal, einem der Spielorte der Fußball-Weltmeisterschaft. Für Wolfgang Reimer ein Traum. Auch wenn England das Mutterland des Fußballs ist: "Der Straßenfußball, die vielen Talente, die Begeistertung - das ist Brasilien", schwärmt er. Deswegen war auch klar, dass er sich die WM auf gar keinen Fall entgehen lassen wird.
Kleine Reisegruppe
Mit Gattin Monika, Tochter Nathalie, deren Freund Benjamin und weiteren Freunden reist Wolfgang Reimer nächste Woche nach Natal. Für zwei Gruppenspiele haben die deutschen WM-Touristen Karten ergattert und können live dabei sein. Zuerst besuchen sie die Partie zwischen Uruguay und Italien am 24. Juni, zwei Tage später sehen sie sich das Spiel zwischen Deutschland und den USA in Recife an. Darüber, wie sich Wolfgang Reimer und seine Freunde vorbereitet haben auf das WM-Abenteuer, werden wir noch vor dem Abflug nach Brasilien berichten. Wie es den Fußballfans aus Hofheim im Land am Zuckerhut ergeht, wie sie die Spiele, das Land und die Weltmeisterschaft erleben, davon werden die Kreisblatt-Leser in den nächsten Wochen lesen können. Zwar werde einiges davon abhängen, wie weit Brasilien im Turnie kommt, aber Wolfgang Reimer ist sich sicher, dass es eine gelungene Weltmeisterschaft werden wird - trotz der Proteste, trotz des zu erwartenenden Verkehrskollapses, trotz mancher kleinerer oder größerer Probleme. "Das wird Party sein. Fußball ist in Brasilien für viele alles."
(kes)